85% des Verkehrs – Und oder doch Oder, oder gar nicht?
Wenn es um die Teilspange, ENgpassbeseitigung oder Anschluss Güterbahnhof geht, dann liest und hört man immer wieder einen Satz. Doch es ist nicht immer der gleiche Satz.
Manchmal lautet er:
85% des gesamten Verkehrs auf der A1 ist Ziel- und Quellverkehr von und in die Stadt
WISG
und manchmal heisst es:
85 Prozent der Autofahrten auf der Autobahn starten oder enden im Stadtgebiet
Unser Lebensraum
Ich frage mich eigentlich schon immer, was uns diese Aussage in Bezug auf den Anschluss Güterbahnhof mitteilen möchte. Ganz ehrlich, ich habe es bis heute nicht verstanden. Hinzu kommt, dass die Aussagen, die beide von Pro-Anschluss Seite stammen aus meiner Sicht längst nicht das gleiche bedeuten. Das Wort „und“ ist sicher nicht das gleiche wie „oder„
Im ersten Falle (UND) heisst das, dass 85% des Verkehrs eine der 4 städtischen Einfahrten nutzen und die Autobahn auch wieder auf einer der städtischen Ausfahrten verlassen.
Im zweiten Fall sind es 85% die entweder auf einer der 4 Einfahrten auf die Autobahn fahren oder die Autobahn auf einer städtischen Ausfahrt wieder verlassen. Das kann aber auch heissen, das Autos, die im Neudorf auf die A1 in Richtung Zürich fahren die Autobahn erst in Gossau, Wil, Winterthur oder sogar Genf verlassen.
Ihr seht, es ist nicht ganz dasselbe. Trotzdem versuche ich der Sache mit den 85% auf den Grund zu gehen.
Gehört habe ich den Satz (ich weiss nicht mehr in welcher Variante) zum ersten Mal an einer ASTRA-Veranstaltung im KBZSG. Geäussert hat sie damals Herr Jürg Röthlisberger, Direktor des ASTRA. Seither taucht er regelmässig in beiden Varianten in den Medien, in Medienmitteilungen, auf Webseiten und in Parlamenten auf.
Als erstes versuche ich die Aussage einmal umzudrehen. Wenn 85% und/oder die Autobahn auf Stadtgebiet befahren und/oder verlassen, dann müssten es eigentlich 15% reiner Durchgangsverkehr sein. Das lässt sich einfach feststellen, weil hier der Verkehr zwischen Gossau und Meggenhuus und umgekehrt einfacher zu beziffern lässt:
So sieht es aus, wenn man die Zahl der Autos vor der Ausfahrt Winkeln in Fahrtrichtung Rorschach mit 100% annimmt. Am Ende sind es noch 43% der Autos nach der Ausfahrt Neudorf auf der Autobahn. Sprich, 57% verlassen die Autobahn zwischen Winkeln und Neudorf.

In der Gegenrichtung von Rorschach in Richtung Zürich sieht es ganz ähnlich aus. Auch hier sind von den 100% vor der Ausfahrt Neudorf nach Winkeln immer noch 43% auf der Autobahn und haben die A1 nicht verlassen:

Aufgrund diesen TomTom Daten kann man ganz klar sagen, die 15% reiner Durchgangsverkehr sind eine äusserst fragwürdige Annahme. Tatsächlich sind es über 40% des Verkehrs, der keine der städtischen Ausfahrt nutzt.
Was hier nicht berücksichtigt wird, ist der Verkehr, der jeweils auf den Einfahrten dazukommt. TomTom geht immer von den 100% auf dem Abschnitt aus, den man anwählt und zeigt danach auf, wie sich der Verkehr verteilt. Um das zu präzisieren muss man sich die einzelnen Einfahrten genauer anschauen.
Einfahrt Neudorf – Fahrtrichtung Zürich

Ausgangslage: 100% Einfahrt Neudorf Fahrtrichtung Zürich
Es verbleiben rund 36% des Verkehrs, der weiter in Richtung Zürich fährt.
64% nutzen die Stadtautobahn rein innerstädtisch.
Einfahrt St.Fiden Fahrtrichtung Zürich

Ausgangslage: 100% Einfahrt St.Fiden Fahrtrichtung Zürich
Es verbleiben rund 52% des Verkehrs, der weiter in Richtung Zürich fährt
48% nutzen die Stadtautobahn rein innerstädtisch.
Einfahrt Kreuzbleiche Fahrtrichtung Zürich

Ausgangslage: 100% Einfahrt Kreuzbleiche Fahrtrichtung Zürich
Es verbleiben rund 67% des Verkehrs, der weiter in Richtung Zürich fährt.
34% nutzen die Stadtautobahn rein innerstädtisch
Einfahrt Winkeln Fahrtrichtung Rorschach

Ausgangslage: 100% Einfahrt Winkeln Fahrtrichtung Rorschach
Es verbleiben rund 42% des Verkehrs, der weiter in Richtung Rorschach fährt
58% nutzen die Stadtautobahn rein innerstädtisch
Einfahrt Kreuzbleiche Fahrtrichtung Rorschach

Ausgangslage: 100% Einfahrt Kreuzbleiche Fahrtrichtung Rorschach
Es verbleiben rund 61% des Verkehrs, der weiter in Richtung Rorschach fährt
39% nutzen die Stadtautobahn rein innerstädtisch
Einfahrt St.Fiden Richtung Rorschach

Ausgangslage: 100% Einfahrt St.Fiden Fahrtrichtung Rorschach
Es verbleiben rund 80% des Verkehrs, der weiter in Richtung Rorschach fährt
20% nutzen die Stadtautobahn rein innerstädtisch
Mein persönliches Fazit:
Nach all diesen Auswertungen komme ich zu dem Schluss, dass die Aussagen mit den ominösen 85% äusserst fragwürdig sind. Man muss sich also fragen, wie kam diese Aussage zustande? Ist es nun eine „Und“ oder eine „Oder“ Frage? Hat irgendjemand aus der Befürworterecke diese Aussage jemals hinterfragt, bevor sie x-fach weiterverbreitet wurde und vermutlich weiterhin wird? Und, welchen EInfluss sollen diese ominösen 85% nun auf den Anschluss Güterbahnhof haben? Ich denke, die Befürworter stehen in der Pflicht, diese Aussage zu erklären resp. zu belegen. Ich behaupte aber, dass die Befürworter selber nicht wissen, was sie damit aussagen möchten.
Inwiefern meine Auswertungen mit TomTom korrekt sind und ob das ASTRA, der Kanton oder die Stadt auf andere Ergebnisse kommt, wissen wir erst, wenn wir auch über die Verkehrssimulationen informiert werden. Denn sämtliche Aussagen zum Verkehrsfluss wurden nie veröffentlicht. Es sind nach wie vor unüberprüfbare Aussagen. Eigentlich eine absolutes NoGo, dass man den Nationalrat abstimmen lässt ohne dass solche Fakten auf dem Tisch liegen.
Zu den Auswertungen:
TomTom O/D Analysis Service
Kostenloser Testaccount
Auswertungszeitraum: 1.10.2022 bis 31.10.2022
Zeit: 06:00 bis 19:00 Uhr
Weitere TomTom Auswertungen zum Anschluss Güterbahnhof
Sind nicht die Stadtbewohner die einen Autobahnausbau benötigen. Im Gegenteil. Wären alle in der Stadt unterwegs wie sie, hätten wir keine Verkehrsprobleme in der Stadt.
Mit dem Autobahnausbau findet auch weiter die Bevölkerungszunahme hauptsächlich in der Agglo statt als da wo die Arbeitsplätze sind.
100’000 Einwohnerstadt kann man damit vergessen.
Das generierte Steuersubstrat wird weiter zu Steuerfusssenkungen in der Agglomeration statt zur Attraktivitätssteigerung des Arbeitsplatzzentrums missbraucht.
Für diese Fehlleistungen der Regierungen soll nun der Bund mittels NAF abkassiert werden.
Die Stadtpräsidentin und Kantonsrätin heult vor den Medien wegen Zentrumslasten und befürwortet gleichzeitig Autobahnausbau für Agglos.
Deine Zahlen bestätigen das eindrücklich.