Biometrische Überwachung in der Stadt St.Gallen

Am letzten Dienstag hat das Stadtparlament entschieden, dass es ein Verbot im Polizeireglement verankern möchte und zwar ziemlich deutlich.
Ich hatte in der Debatte nur ein kurzes Votum gehalten, da ich es nicht für sinnvoll halte, die grundlegenden Problematik biometrischer Überwachung in einem Stadtparlament zu diskutieren. Mein Blog scheint mir der bessere Platz zu sein.

Wer wünscht es sich nicht, dass Verbrechen schnell aufgeklärt werden können und die Täter bestraft werden? Es ist auch sehr verlockend und nicht abwegig, Verbrechen zu verhindern, bevor sie geschehen. Wichtig ist es heir als erstes klar zu unterscheiden, ob biometrische Erkennung für die Strafverfolgung genutzt wird oder ob sie präventiv eingesetzt werden soll.
Um die berühmte Redeverwendung der Nadel im Heuhaufen zu verwenden. Im ersten Fall nimmt man einen Metalldetektor um die Nadel zu finden, während man im zweiten Fall den Heuhaufen durchsucht um es ja nicht zu verpassen, falls jemand eine Nadel in den Haufen wirft. Die Verlockungen sind also gross und für alle nachvollziehbar, was auch der Grund ist, weshalb in der Debatte insbesondere die SVP sich für die Technologie ausgesprochen hat.

Warum wehrt sich dann eine grosse Mehrheit dagegen? Um das zu erklären möchte ich einen weiteren Vergleich heranziehen.
Angenommen, die Pharmaidustrie hat ein Medikament entwickelt, das alle Arten von Krebs mit nur einer Tablette heilen kann. Noch besser, die Tablette kann Krebs präventiv verhindern. Dieses Medikament hat aber Nebenwirkungen. Es macht bereits bei der ersten Einnahme abhängig. Es verursacht nicht nur Kopschmerzen oder Übelkeit, es schädigt auch Leber, Nieren und den Darm. Zusätzlich löst es Parkinson, Demenz und weitere schwere Erkrankungen aus. Das Medikament schädigt auch das Erbgut und vererbt die schweren Erkrankungen an die nächste Generationen. Würdet ihr ein solches Medikament zulassen und die Risiken eingehen? Ich nicht!

Genau wie ein solches Medikament führt auch die biometrische Erkennung zu weitreichenden Konsequenzen. Unschuldige bekommen die Nebenwirkungen zu spüren, egal ob man etwas zu verbergen hat oder nicht, wobei niemand hat nichts zu verbergen und erst recht können Drittpersonen nicht darüber entscheiden, ob man etwas zu verbergen hat oder nicht. Das müsste eigentlich sogar der SVP einleuchten.

Apropos nichts zu verbergen. Es kommt in der Schweiz jährlich zu mehrern Urteilen zum Missbrauch von Daten oder auch Verletzungen des Amtsgeheimnisses. Die Beweggründe sind fast immer private Interessen. Was macht der Partner, die Nachbarn, das bevorstehende Date, die Lehrperson der Kinder, der Fussballtrainer, die Pfadileiterin usw. Ihr könnt davon ausgehen, dass die Verurteilungen nur die Spitze des Eisberges sind. Geheimnisträger sind auch nur neugierige Menschen wie wir alle. Und ich bin sicher, alle die das hier lesen haben schon andere Personen gegoogelt. Ich übrigens auch.

Dann war in der Debatte im Stadtparlament auch noch die Rede von einem Technologieverbot. Es ist völlig absurd, das die Stadt ein Technologieverbot verordnen könnte. Es handelt sich um ein Verbot einer bestehenden Technologie für ein spezifisches Einsatzgebiet und nicht um ein Technologieverbot. Ein ziemlich grosser Unterschied.

Ich habe das Argumentationsfeld bewusst nicht bis auf die philosophische und ethische Ebene ausgeweitet. Der Einfluss auf Grundrechte und die Auswirkunken sind millionenfach abgehandelt worden und auch George Orwell konnte das viel besser ;-). Soweit will ich nicht nicht gehen. Ich finde, das was ich bis jetzt geschreiben habe müsste eigentlich ausreichen.
PS: ich habe ganz bewusst auf den Begriff KI verzichtet. Das Problem ist auch ohne KI-Einsatz genügend gross. Mit KI wird es nicht besser, im Gegenteil! Es weitet sich noch weiter aus.