Das Tagblatt und die Spitex AG – eine Medienkritik

Das St.Galler Tagblatt hat es wieder geschafft, die Spitex AG zu thematisieren. Wenn etwas schlecht läuft und das noch dazu mit einer Vorgeschichte, dann ist das nicht mehr als richtig. Schwierig aber wird es, wenn man ein paar grundlegende Dinge des Journalismus missachtet oder nur sehr selektiv berichtet.

Ein paar Punkte zur aktuellen Berichterstattung des St.Galler Tagblattes möchte ich jetzt loswerden:

Als erstes ist mir aufgefallen, dass das St.Galler Tagblatt die neusten Berichte zur Affäre „Spitex AG“ auf ihrem Facebook-Auftritt veröffentlicht hat. Da es sich um ein städtisches Thema handelt (in der gedruckten Ausgabe im städtischen Bund angesiedelt) fällt das auf, weil das Tagblatt sonst so gut wie gar nie städtische Themen auf Facebook postet.

Dann zum ersten Beitrag vom Freitag 3.3.2023. Das Tagblatt berichtet über eine erneute Kündigungswelle im Westen der Stadt. Allerdings enthält der Bericht keine konkreten Zahlen (etliche oder viele sind nicht quantifizierbar) und auch sonst eigentlich nur sehr einseitige Schuldzuweisungen (aufgrund einer anonymen Quelle?) Irgendwie fehlt es an Belegen und der Artikel erweckt nach wie vor den Anschein, dass Stadträtin Sonja Lüthi die alleinige Verantwortung trägt. Entsprechend undifferenziert sind die Kommentare unter dem Artikel. Da kommen Leser schonmal auf die Idee, dass es sich bei der Spitex AG um eine städtische Dienststelle handelt. Kein Wort dazu, dass es bei Personalfragen um ein operatives Geschäft handelt, für das einzig und alleine die Geschäftsleitung der Spitex AG verantwortlich und damit direkter Ansprechpartner wäre.

Am darauf folgenden Montag dann hat das Taglatt die Stimmen der Politik abgeholt. Es äussern sich alle Parteipräsidentinnen und Präsidenten, die mit einer Fraktion im Stadtparlament vertreten sind. Dort tauchen dann einige kritische Stimmen auf. Donat Kuratli von der SVP verfügt über zu wenige Informationen und Oskar Seger von der FDP spricht sogar von Kräften, die sich von Beginn weg gegen die Spitex AG (trotz Parlamentsentscheid) gestellt haben. Bislang hat das Tagblatt hier nicht reagiert.

Im Gegenteil, das Tagblatt verschweigt den Lesern bis heute 8.3.2023 sogar die schriftliche Stellungnahme der Spitex AG zu den Vorwürfen. stGallen24 hat am 6.3.2023 darüber berichtet und man kann davon ausgehen, dass auch das Tagblatt zu dem Zeitpunkt von der Mitteilung wusste

Mein persönliches Fazit:

Das St.Galler Tagblatt berichtet wiederholt sehr einseitig. Es informiert die Leser nur oberflächlich. Es nimmt keine kritischen Aussagen der Politik auf und man bekommt das Gefühl, dass es hier viel Wert auf die Kommentare legt, weil sie die Artikel, entgegen der üblichen Vorgehensweise auch in den sozialen Medien veröffentlicht. Und, das ist mein Vorwurf des Bruchs mit den journalistischen Regeln, es veröffentlicht, nein, erwähnt noch nicht einmal, die schriftliche Gegendarstellung der angeklagten Institution.

Aber wer weiss, vielleicht kommt das ja noch und die Zeitung fragt mal nach, was es denn genau mit den angeblichen „subversiven“ Kräften auf sich haben könnte und liefert ausreichend Informationen, damit die Sache auch wirklich ernsthaft und seriös Einzug in die Politik findet. So ist das nicht möglich.

Und jetzt gibts doch noch ein Update

Im Stadtticker, also dort wo die Meldungen nach und nach wieder verschwinden. Aber vermutlich bin ich wieder zu schnell und es kommt dann noch ein separater Artikel. Aber lest selber und schreibt mir doch, wenn ihr das Gefühl habt, ich bashe das Tagblatt einfach so…Ich finde es nämlich echt zum Kotzen wenn ich unter solchen Umständen recht behalte

Hier mit Copy/Paste der Eintrag im Stadtticker

16:07 UhrFREITAG, 10. MÄRZ

Spitex-Personalkommission weist Vorwürfe zurück: «Allen bereitet die Arbeit bei der Spitex viel Spass»

Jüngst richteten sich ehemalige Mitarbeitende der Spitex St.Gallen AG ans «Tagblatt». Sie berichteten von Missständen, Pflegefehlern und Schikanen seitens der Arbeitgeberin. Damit konfrontiert sagte die Leitung der Spitex St.Gallen AG gegenüber dieser Zeitung, sie könne die Vorwürfe «nicht bestätigen». Am Samstag erschien der Artikel, worauf am Montag die Geschäftsleitung eine Medienmitteilung verschickte. Darin wies die Spitex-Leitung die Vorwürfe zu Wertschätzung, Pflegequalität und Sicherheit der Klientinnen und Klienten «entschieden zurück».

Am heutigen Freitag wandte sich zusätzlich die Personalkommission der Spitex St.Gallen AG an die Öffentlichkeit. «Der Artikel hat uns Mitarbeitende zutiefst schockiert», heisst es im offenen Brief. Bei den Initiantinnen und Initianten handle es sich «lediglich um eine kleine, verbitterte Gruppe», die Mehrheit des Personals distanziere sich mit Nachdruck von den Vorwürfen.

Für die Spitex St.Gallen AG wurden vier Spitex-Vereine fusioniert. Die Situation möge speziell und herausfordernd sein, schreibt die Personalkommission. «Und nicht für jeden der ‹alten› Mitarbeitenden zuträglich, wenn man eine spezielle, eingefahrene Arbeitsweise gewohnt ist.» Man müsse offen sein und mit der Zeit gehen, gerade in der herausfordernden Pflegebranche. Dass man mit gewissen Neuerungen nicht einverstanden sei, könne man verstehen. Man müsse gegebenenfalls den Mut haben, zu gehen. Die Mitarbeitersituation stabilisiere sich kontinuierlich. Aktuell fänden erste Teambildungstreffen statt, heisst es im Brief.

Und weiter: «Allen bereitet die Arbeit bei der Spitex viel Spass.» Wegen des Fachkräftemangels seien temporäre Mitarbeitende momentan die einzige Chance, die Festangestellten zu unterstützen und halten zu können. «Unsere Pflegefachkräfte erbringen täglich Höchstleistungen und erhalten zumindest von den Führungspersonen stetigen Dank und Wertschätzung.» (pd/mha)