Gesichtserkennung für brave Mitmenschen
Ich bin in Sachen Datenschutz längst nicht mehr so aktiv wie früher. Das hat damit zu tun, dass ich mich nach all den verlorenen Abstimmungen zu Überwachungen (NDB, Büpf) mehr oder weniger damit arrangiert habe, dass eine schöne Mehrheit findet, ja, Überwachung ist gut, das wollen wir….
Ab und zu überkommt es mich dann aber doch wieder und ich muss etwas dazu sagen und das hier war der Auslöser
Dazu gab es im April einen Blogbeitrag von Adreinne Fiechter und Patrick Seeman, die über diese Art von Gesichtserkennung bei Sportveranstaltungen berichtet haben. Hier geht es zum Text „Läufst Du Marathon? Dein Gesicht verrät es„
Das alleine wird die „brave Bürger“-Fraktion nicht überzeugen. Ich hole deshalb noch ein bisschen weiter aus, in der Hoffnung, dass wenigstens das ein ganz kleines bisschen hilft.
Angenommen, es geht jetzt nicht um einen Marathon sondern um eine friedliche Demo. Ihr schliesst euch mit bestem Wissen und Gewissen der Demo an und demonstriert mit, weil euch das Thema am Herzen liegt. Das Thema der Demo spielt übrigens absolut keine Rolle.
Der Demozug wird nun überwacht. Das kann durchaus auch mit bestehenden öffentlichen Kameras geschehen. Eine Kamera erfasst euch am Start, nach 150 Meter, nach 400 Meter, nach 600 Meter und bei 700 Meter findet euch die Kamera nicht mehr, weil ihr einen alten Bekannten am Strassenrand getroffen habt.
Dummerweise haben sich bei 700 Meter ein paar Vollidioten die Masken ins Gesicht gezogen, die Jacken gewendet und beginnen zu randalieren.
Was sagt jetzt die automatische Kameraüberwachung mit Gesichtserkennung? Hey, da ist doch jemand (ja, Du!) zwischen 600 Meter und 700 Meteraus der Demo verschwunden. Das ist sicher jemand, der jetzt mit der Maske im Gesicht bei 700 Meter ein Auto angezündet hat.
Die Tatsache dass ihr bei den Krawallen ab 700 Meter nicht mehr sichtbar wart und ihr mit Hilfe der Gesichtserkennung als „Vermisst “ oder eben „Vermummt“ gekennzeichnet wurdet, denkt sich die Software, zack! ein potentieller Täter. Euch jetzt noch einen Namen zuzuordnen ist nicht so schwierig, denn wir wissen ja, dass sich die Überwachungssoftware zur Erkennung (Stichwort Palantir) auch in den sozialen Netzwerken bedient.
Aber ihr seid ja unschuldig und nur aufgrund eines dummen Zufalls in die Mühlen der Justiz geraten. Viel Spass beim rauskommen und ja, ich weiss wovon ich spreche. Mir ist bereits zu analogen Zeiten 2x etwas Ähnliches passiert.
Das Thema hat aktuell auch einen lokalen Bezug. Da ist einerseits die Vernehmlassung „Gesetz über die Videoüberwachung im öffentlichen Raum“ die im Kanton Ende April abgelaufen ist und andererseits ein Motion dazu, die am letzten Dienstag im Stadtparlament eingereicht wurde (Online noch nicht verfügbar)