Gewinnen durch Diskussion – Wirklich?
Die WISG hat sich einmal mehr mit der Engpassbeseitigung befasst. Sie macht es sich dabei aber leicht, wenn sie sagt, dass in ihrem Vorstand unterschiedliche Hüte getragen werden, die Medienmitteilung aber diese nicht abbildet.
Auch wünscht sich die WISG eine echte Diskussion. Diese Diskussion kann man aber nicht führen, da sie sich dogmatisch hinter den Anschluss stellt und gleichzeitig die Gegener als reine Ideologen denunziert.
Das dem nicht so ist, das belegen die Gegener immer und immer wieder, indem sie auf entscheidende Nachteile aufmerksam macht.
Letztlich muss man sich die Frage stellen, löst der Anschluss die Verkehrsprobleme der Stadt? Wann löst er sie und müssen sie dann überhaupt noch gelöst werden?
Der Geldhahn sitzt locker (der Bund bezahlt), der Klimawandel interessiert nicht (alle fahren bis dahin emissionsfrei) und überhaupt profitieren ÖV, Velos und Fussgänger. Dass das Projekt ausschliesslich auf den MIV ausgelegt ist und die anderen Verkehrsteilnehmer irgendwo am Rande noch hineingepfercht werden (120m langer Fussgängertunnel in der Liebegg, Südwestlicher Zugang zur Leonhardbrücke wird massiv erswchwert, Busspur St.Leonhardstrasse wird aufgehoben, Tempo 30 wird verhindert), darüber schweigt man sich jedoch aus.
Ich habe mir deshalb erlaubt, die Medienmitteilung der WISG zu kommentieren:
Mit den neuen Tunnels der «Engpassbeseitigung» verbessert sich die Erreichbarkeit der Stadt St.Gallen und der ganzen Region. Das ist wichtig für Wirtschaft und Tourismus. Und gut für die Menschen, die in der Stadt leben.
Es ist sicher nicht für alle gut. Profitieren würde zum aktuellen Zeitpunkt nur die Bewohner des Riethüsli. Alle anderen, insbesondere im Zentrum, müssen mit deutlichem Mehrverkehr rechnen. Die Erreichbarkeit der Innenstadt wird verschlechert. Unter anderem auch weil Busspuren (St.Leonhardstrasse) abgebaut werden. Prognostiziert wird eine Verkehrszunahme auf der Rosenbergstrasse (+9.1%), Oberstrasse (+28.1%) St.Leonhardstrasse (+35.9%) und der Davidstrasse (+39.8%)

Dabei kommt es auch zu unerklärlichen Situationen:
Rosenbergstrasse:
Obwohl es beim Anschluss Kreuzbleiche zu einer Entlastung von gegen 10% im Schnitt kommt, steigt der Verkehr auf dem Abschnitt Rosenbergstrasse bis zum Blumenbergplatz um 9.1% an.
St.Leonhardstrasse:
Hier soll der Verkehr um satte 35.9% ansteigen. AB dem St.Leonhardspärkli aber abrupt wieder unter den Wert von 2017 sinken.
Davidstrasse:
Auch hier ist nicht klar, wohin der Verkehr, der um 39.8% zunehmen soll verschwinden wird. Denn Vor- und nachgelagert wird eine Reduktion gegenüber 2017 ausgewiesen.
Hier die Behauptung aufzustellen, der Anschluss sei gut für die Menschen, die in der Stadt leben sei gut, halte ich für einen Euphemismus
Alle vier Szenarien des Bundesamtes für Raumentwicklung kommen zum gleichen Schluss: Die Strassenmobilität nimmt bis 2050 zu. Die Bevölkerung wächst und mehr Menschen generieren mehr Verkehr. Der Verkehrsinfarkt kann verhindert werden, wenn die «Engpassbeseitigung» und damit die dritte Röhre im Rosenberg, der Feldli-Tunnel, der Zubringer Güterbahnhof und der Liebegg-Tunnel gebaut werden.
Auch hier ist man nicht ganz auf dem aktuellsten Stand oder die Stellen beim Bund wiedersprechen sich:
Einerseits schreibt das Bundesamt für Raumentwicklung: „Im Zeitraum von 2017 bis 2050 wächst die Bevölkerung um circa 21 Prozent. Gleichzeitig steigt die Verkehrsleistung im Szenario «Basis» um 11 Prozent, wächst also im Vergleich zur Bevölkerung unterproportional.„
Und andererseits schreibt der Bundesrat in der Beantwortung des Postulates „Bericht des Bundesrats in Erfüllung des Postulats 20.4660 Regazzi vom 17. Dezember 2020„: „Dank der koordinierten Planung von Verkehrsinfrastrukturen und Siedlungsentwicklung kann die Verkehrsnachfrage besser auf den öffentlichen Verkehrsmitteln und auf den Fuss- und Veloverkehr gelenkt werden. Diese beiden Verkehrsarten werden weitere Anteile am Gesamtverkehr erobern: Der öffentliche Verkehr nimmt voraussichtlich von 21 auf 24 Prozent und der Veloverkehr von 2 auf 4 Prozent zu. Der Anteil des Autos wird dagegen bis 2050 von 73 auf 68 Prozent zurückgehen.“
Diesem Vorhaben hat die städtische Stimmbevölkerung 2016 deutlich zugestimmt. Der Stadtrat setzt diesen Volkswillen um und treibt das Projekt zusammen mit dem Kanton St.Gallen weiter voran.
Nein, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben dem Projekt nicht zugestimmt. Sie haben Nein gesagt, die Gemindeordnung so anzupassen, dass am Güterbahnhof kein Anschluss gebaut werden darf. Das ist definitiv nicht dasselbe und wird jetzt von den Befürwortern so umgedeutet. Seither ist auch ziemlich viel passiert. Unter anderem hat das Stadtparlament bereits 2x Nein zum Anschluss gesagt.
Strassenprojekte sind der links-grünen Mehrheit im Stadtparlament ein Dorn im Auge. Auch wenn der Bund 1,3 Milliarden Franken in die Infrastruktur unserer Stadt investieren will, wird das Projekt mit allen Mitteln bekämpft.
Ja, der Mehrheit im Staqdtparlament ist gegen den Anschluss. Das Stadtparlament ist aber auch die demokratisch gewählte Vertretung der Wählerinnen und Wähler.
DIe Investition des Bundes beschränkt sich bis und mit Kreisel. Sämtliche weiteren Bauten wie der Liebeggtunnel und alle flankierenden Massnahmen müssen vom Kanton und der Stadt getragen werden.
Die politischen Fronten sind – dem allgemeinen Trend folgend – verhärtet. Die dogmatische Diskussion wird dem Grossprojekt aber in keiner Weise gerecht. Ja, es gibt Gründe, die gegen den Tunnel sprechen. Zum Beispiel der Baulärm oder die Tatsache, dass für die neuen Zufahrten Bäume gefällt werden müssen.
Diese „Nebenwirkungen“ sind vergleichsweise gering. Würde das Projekt wirklich das bringen was es verspricht, dann könnte man den Baulärm und die über 250 LKW-Fahrten pro Tag usw. vermutlich sogar verkraften.
Die WISG beleuchtet komplexe Fragestellungen und denkt nicht in schwarz oder weiss. Im Vorstand wird kontrovers diskutiert. Unterschiedliche Meinungen sind nicht nur toleriert, sondern erwünscht.
Da freuen wir uns doch auf die kritischen Stimmen aus dem Vorstand, wenn sie die Nachteile der Öffentlichkeit präsentieren. Mögliche Themen wären die Liegenschaften und das Gewerbe über dem Tunnel Feldli. Dort darf schon jetzt kaum noch in die Tiefe gegraben werden. Auch in der Innenstadt wird das Gewerbe leiden müssen, wenn der Verkehr wie im Modell prognostiziert, ansteigt.
Das grösste Entwicklungsgebiet in der Innenstadt kann ohne Anschluss weitaus flexibler und grosszügiger gestaltet werden als mit dem Anschluss. Denn oberhalb des Kreisels und der Tunnels darf nichts gebaut werden. Selbst ein Baum wird zum Problem.
Auch das es sich ausschliesslich um einen Halbanschluss Zürich handelt wird nicht offen kritisiert. Das vernimmt man nur hinter vorgehaltener Hand. Denn letztlich ist es eben doch so. Man will den Anschluss, Kritik wird nicht gehört und das Projekt wird trotz Diskussionsversprechen nicht hinterfragt.
Vorstandsmitglieder tragen oft verschiedene Hüte und vertreten unterschiedliche Positionen. Diese Spannung gilt es auszuhalten. In dieser Haltung sehen wir unsere Stärke. Denn wir sind überzeugt, dass es uns so letztlich gelingt, unsere Mitglieder und die Bevölkerung von den besten Lösungen zu überzeugen.
Gerne liefere ich auch noch eine Alternative zum Anschluss:
Kein Anschluss, sondern die Forcierung der Erklärung von Emmenbrücke, smarte Mobility und weitere flankierende Massnahmen wie Tropfensysteme, Umsteigehilfen usw…
Alles Ziele, die der Bund, der Kanton und auch die Stadt sich für die nächsten Jahre gesetzt haben, die aber irgendwie nicht forciert werden, weil man ja auf den Anschluss Güterbahnhof im Jahr 2040 (in 17 Jahren) setzt. Dabei ist der Handlungsbedarf zumindest gemäss den Befürwortern bereits heute sehr hoch.
Hier noch ein paar Links zur Verdeutlichung der Anliegen (allesamt vom Bund):
Räumliche Auswirkungen der Verkehrsinfrastrukturen Lernen aus der Vergangenheit……für die Zukunft
Zukunft Mobilität Schweiz – UVEK-Orientierungsrahmen 2040
Zitate daraus:
Ziel 1
Bei der Anwendung von Innovationen im Bereich der Mobilität nimmt die Schweiz eine internationale Spitzenposition ein.
Ziel 5
Die Verkehrsnachfrage wird so gelenkt, dass die Leistungsfähigkeit des bestehenden Gesamtverkehrssystems vor der Realisierung von weiteren Aus- oder Neubauten ausgeschöpft wird.
Ziel 8
Mit den verfügbaren öffentlichen Mitteln werden das Mobilitätsangebot und die Verkehrsinfrastrukturen kosteneffizient finanziert.
Zitate daraus:
Verkehrsleistung wächst im Vergleich zur Bevölkerung unterproportional
Im Szenario «Basis» flacht das Wachstum der Fahrleistung ab 2035 ab. Dies unter anderem wegen der erwähnten Verteuerung der Personenwagennutzung ab 2035.
Dabei zeigt sich nur im Szenario «Nachhaltige Gesellschaft» (NTG) eine Entlastung für das Netz der Nationalstrassen