Mit dem Sackmesser durch den Budgetdschungel

Das wird jetzt kein Empörungsartikel und es gibt weder Schelte noch Lob zu verteilen.
Ich möchtte an einem Beispiel lediglich aufzeigen, wie das mit den Vorbereitungen auf eine Budget-Sitzung so läuft.

Ich war da mal wieder einer „heissen“ Sache auf der Spur 😉

Es geht um einen Budgetposten im 100 Seiten starken Bericht des Stadtrates. Dort heisst es auf Seite 39:

Quelle: Budgetbericht 2022 des Stadtrates

Neue Stellen werden jeweils sehr gut angeschaut und hinterfragt. Das tue ich hier für einmal öffentlich.
Als IT-Mensch und Medienpädagoge sind mir die ca. 580 Geräte für die städtischen Schulen ins Auge gesprungen.

Ich sitze jetzt seit rund 2 Jahren im Stadtparlament und ich bin mir sicher, dass mir die Beschaffung von 580 mobilen Geräten für die Schule aufgefallen wäre. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass dazu eine Vorlage im Stadtparlament behandelt wurde.
Der Stadtrat besitzt die Kompetenz, Beschaffungen unter 300’000 CHF in eigener Regie zu bewilligen. Bei 580 Geräten und 300’000 CHF käme ein solches mobiles Gerät auf einen Preis von rund 520 CHF/Gerät. Das scheint mir etwas gar günstig.

Dann mache ich mich einmal auf die Suche nach dieser Beschaffung. Bewilligt ist sie ja schon.
Im Ratssystem, in dem man die einzelnen Geschäfte suchen kann wurde ich nicht fündig. Dasfür habe ich auf der Ausschreibungsplattform einen Eintrag gefunden, der ganz gut passt. Allerdings muss man sich auch hier alles etwas zusammensuchen. Anhaltspunkte sind „Schule“, „Mobile Geräte“. Gefunden habe ich das hier:

Quelle: simap.ch

In der Detailansicht der Beschaffung sieht man dann noch etwas mehr. Ich liste die Punkte auf, da sie über 2 A4 Seiten verteilt sind:

  • Beschaffungsstelle/Organisator: Infrastruktur Bildung und Freizeit – Stadt St.Gallen
  • Auftragsart: Lieferauftrag
  • Projekttitel der Beschaffung: Beschaffung Mobile Client Hardware
  • Gegenstand und Umfang des Auftrags: HEWLETT PACKARD ENTERPRISE, ProBook x360 435 G7
  • Publikationsdatum Kantonales Amtsblatt  SG:  11.12.2020

Mit den zusätzlichen Angaben mache ich mich nochmals auf die Suche nach einem Geschäft im Stadtparlament. Leider noch immer kein Treffer. Sind die ausgeschriebenen Notebooks tatsächlich so günstig, dass sie unter 300’000 CHF liegen? Spoiler: Nein, sind sie nicht

Quelle: simap.ch

Und jetzt würde es erst so richtig losgehen. Denn es handelt sich um eine Beschaffung von rund 600’000 CHF. Also weit über der eigentlichen Kompetenz des Stadtrates und trotzdem gibt es dazu kein parlamentarisches Geschäft. Man müsste jetzt noch zurück ins Budget 2020, vielleicht findet sich dort etwas dazu, oder ich frage in der Geschäftsprüfungskomission nach.

Fassen wir kurz zusammen:

Der Stadtrat beantragt dem Stadtparlament eine 100% Stelle für eine ICT-Mitarbeiterin oder Mitarbeiter aufgrund einer bereits bewilligten Beschaffung von mobilen Notebooks im Wert von rund 600’000 CHF, für das es kein Geschäft im Stadtparlament gibt.

Ich weiss übrigens bis heute noch nicht, wie und was da genau Sache ist. Immerhin habt ihr jezt einen kleinen Einblick in die Arbeit des Stadtparlamentes erhalten. Es sind ja nur rund 200 A4 Seiten, die man sich für die Budgetberatung 2022 anschauen sollte Macht Spass, oder 😉