Planungsstopp Güterbahnhof – Eine Entgegnung

Das St.Galler Tagblatt hat zum Postulat der Bau- und Liegenschaftenkomission die Stimmen der Parteien eingesammelt. Das Postulat fordert den Stadtrat auf, keine finanziellen und planerischen Ressourcen mehr für den «nicht verantwortbaren» Autobahnanschluss beim Güterbahnhof zu verschleudern.

Eine Forderung die selbstverständlich ganz unterschiedlich ankommt. Da ich zu den Unterstützern der Forderung gehöre erlaube ich mir einige Aussagen aus dem Artikel des Tagblattes zu kommentieren.

Vorab zum Thema „Ideologisch“.

«Das Postulat ist rein verkehrsideologisch motiviert», sagt Walter Locher, Präsident der Interessengemeinschaft Engpassbeseitigung.
«Parteipolitisches Geplänkel», meint Felix Keller, Präsident der FDP/JF-Fraktion.
Und Karin Winter-Dubs, Präsidentin der SVP-Fraktion sagt: «Wir Parteien müssen das Verkehrsproblem gemeinsam lösen, ohne dass jede auf ihrer Ideologie beharrt.»

Dieser Ausdruck ist kein Links/Grünes Kuriosum. Ideologieen finden sich immer an den Polen, unabhängig der politischen Ausrichtung. Es ist genau so ideologisch, dem motorisierten Individualverkehr möglichst keine Hürden in den Weg zu stellen, wie den motorisierten Individualverkehr per se zu verteufeln. Aber es tönt halt gut, wenn die eine Seite der anderen pure Ideologie unterstellen kann. Tatsache ist, beide Pole argumentieren zum Teil ideologisch.

Dann noch zu demokratischen Entscheiden

Karin Winter-Dubs: Das Postulat missachte einen Volksentscheid, fährt sie fort. 2016 hatte die Bevölkerung die Initiative «Lebendiger Güterbahnhof ohne Autobahnanschluss» mit über 60 Prozent abgelehnt.
Felix Keller verweist ebenfalls auf die Abstimmung von 2016.

Ja, 2016 hat eine Mehrheit der Stimmbevölkerung der Initiative «Für ein lebendiges Areal Güterbahnhof ohne Autobahnanschluss» eine Abfuhr erteilt. In den 6 Jahren ist demokratisch einiges passiert. Die letzten Wahlen haben den Parteien mit ökologischem Gewissen eine Mehrheit eingebracht, was auch für die Liegenschaften- und Baukomission sowie auch für den Stadtrat gilt. Es gibt also durchaus demokratische Legitimation für einen erneuten Anlauf.

Nun aber direkt zu den einzelnen Aussagen:

Felix Keller:

Das Volk werde voraussichtlich noch einmal über das Projekt abstimmen. «Kurzum: alles demokratische Entscheide. Mit dem Vorstoss verkennen die Linken das und bekämpfen sämtliche Verkehrsvorlagen.»

Woher Felix Keller die Gewissheit hat, dass das Volk nochmals darüber abstimmen kann weiss ich nicht. Ebenso unklar ist, welches „Volk“ er meint. Sind es die Appenzeller, die Teufener die St.Galler oder die Stadt.St.Galler? Der Kanton und der Bund sind da was die Stadt St.Gallen angeht allerdings anderer Meinung:

Die Stadtbevölkerung kann also höchstens über den Liebeggtunnel abstimmen

Der Kanton widerspricht Felix Keller oder umgekehrt. Diese Aussage ist zumindest Stand heute nicht korrekt. Ebenso findet Felix Keller, dass die Testplanung eine sehr gute Lösung aufgezeigt habe. An diesem Punkt möchte ich allen den Schlussbericht des Soundingboardes (Kapitel 7) ans Herz legen. Auch wenn dort die grundsätzliche Machbarkeit bestätigt wird. Die immensen Herausforderungen und die daraus entstehenden Kosten (von denen heut absolut nicht klar ist, wer sie trägt) können wohl kaum als „sehr gute Lösung“ für die Stadt bezeichnet werden.

Walter Locher:

Der Vorstoss setze sich weder mit den positiven Auswirkungen auf die Verkehrsentwicklung noch mit der gewünschten Stadtentwicklung auseinander

Hier scheint Herr Locher bedeutend mehr zu wissen als der Stadtrat oder der Stadtrat weicht dieser doch essentiellen Frage aus. So zumindest muss man die Antwort des Stadtrates auf die Interpellation einordnen. Es gibt keinerlei Aussagen dazu, wie sich der Verkehr in der Innenstadt entwickelt. Dies ist frühestens Ende Jahr der Fall.

Die Ergebnisse dieser Planungsphase und damit auch die aktualisierten Verkehrsmodelle werden voraussichtlich Ende 2022 veröffentlicht und kommuniziert.

Quelle: Interpellation glp/jgpl-Fraktion: Verkehrserhebung und Modellierung; schriftlich

Die fachlich überzeugende und geschickte Testplanung zeige auf, wie der Verkehr zu 95 Prozent unter dem Boden verschwinde

Hoppala, 95% des Verkehrs (welcher Verkehr genau?) werden also unterirdisch geführt. Diese Aussage ordne ich jetzt einfach mal als Versprecher ein. Eine völlig utopische Zahl, die in dieser Form nie und nimmer stimmen kann. Denn es handelt sich ja bekanntlich nicht um einen Autobahn-Vollanschluss, sondern nur um einen Teilanschluss in und von Fahrtrichtung Zürich. Alles vom Bodensee her kommt oder in dies Fahrtrichtung will muss zwangsläufig über die St.Leonhardsbrücke. In diesem Sinne ist diese Aussage (wenn er sie so gemeint hat) als kompletter Bullshit zu werten.

«Es ist offensichtlich, dass den Postulanten die Ideen fehlen.»

Dazu verweise ich gerne auf die3 Ideen, die ich erst kürzlich kurzverbloggt habe. Nur weil Herrn Locher die Ideen nicht gefallen, heisst das noch lange nicht, dass Ideen fehlen

Fazit

Der Stadtrat hatte seit 2016 kaum mehr Gegenwind in dieser Sache. Er konnte sich eigentlich zurücklehnen und der Dinge harren. Bund und Kanton haben die Arbeit gemacht. Aber der WInd hat sich gedreht. DIe Zusammensetzung von Stadtparlament und Stadtrat hat sich verändert. Damit kommen auch kritische Fragen zu dem Jahrhundertprojekt. Bislang hat sich der Stadtrat jedoch um ANtworten soweit als möglich gedrückt. Die Schonzeit ist jetzt vorbei.

Es ist definitv an der Zeit, dass der Stadtrat Stellung beziehen muss. Die Stadtbevölkerung hat ein Anrecht darauf zu erfahren, was dieser Anschluss bedeutet. Wir wollen wissen ob wir etwas dazu zu sagen haben. Wir wollen wissen, wie sich die Verkehrssituation entwickelt und wir wollen wissen was uns dieses Vorhaben kostet. Das sind keine Ideologischen Spielchen! Das sind absolut berechtigte Fragen.

Da der Stadtrat diesen Fragen jedoch permanent ausweicht müssen wir ihn zwingen Stellung zu beziehen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass man versucht die Antworten in die Richtung zu lenken, in der man sie gerne hat. Nennt sich Politik 😉

Und für alle, die sich gerne selber informieren und Pro und Kontra gegeneinander abwägen:

Das ist die offizielle Informtionsseite des Kantons und des Bundes: https://zubringer-gueterbahnhof.ch/
Und hier die Seite der Gegener des Anschlusses Güterbahnhof: https://teilspange.ch/