Schepenese in Ehren
Jetzt haben sich dann hoffentlich einmal alle zur Mumie oder verstorbenen Frau in der Stiftsbibliothek geäussert.
Mittlerweile ist es doch so, dass bei all den offenen Briefen, Stellungnahmen, Medienmitteilung und politischen Vorstössen usw. so ziemlich genau das Gegenteil erreicht wurde, was eigentlich der Zweck war. Die Würde einer verstorbenen Frau zu schützen.
Klar, Milo Rau hat eine Diskussion entfacht. Für einen provokativen Kunstschaffenden absolut verständlich und auch nicht falsch. Er hat aber vermutlich nicht damit gerechnet, dass neben all den durchaus wichtigen Fragen auch völliger Blödsinn daher kommt, der jetzt Null und Nichts mehr mit seinem eigentlichen Anliegen zu tun hat. (PS: der angetönte Sauglattismus kommt von einem Herrn, der auch schon einen Wasserrappen vor Gericht gezogen hat). Kein Link, selber suchen
Liebe Alle schraubt mal 4 bis 5 Gänge zurück, danke
Und an Milo Rau, du weisst, warum dich viele nicht mögen. Aber das ist deine Inspiration als Künstler. In deiner Heimatstadt würde ich es aber nicht all zu sehr übertreiben. Wir habens nicht so mit Künstlern, die zu oft anecken 😏
Und noch ein Wort an die Trittbrettfahrer, Wer mit der Würde einer toten Frau seinen Wahlk(r)ampf einläuten möchte, der hat den Begriff „Würde“ nicht verstanden. Aufmerksamkeit mit toten Menschen zu erreichen ist so ziemlich das pure Gegenteil von würdevoll
Mein Lieber
Wenn Du Dich etwas näher mit solchen Prozessen befasst, merkst Du, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen. Ich finde aber, die Sache ist mittlerweile sehr gut aufgegleist:
Die Debatte über den Totenfrieden (und ihre Interpretation hier und dort, früher und heute…) findet statt.
Die Debatte über „MUSEEN“ und was diese Gesellschaft alles dort anschauen – bei der Mumie: mit Schaudern: anglotzen – darf, hat Fahrt aufgenommen. Übrigens und ganz am Rand: mein erster Eindruck von St. Gallen vor gefühlt 50 Jahren war ja genau dieses zentrale Gruseln – in den ansonsten für uns Jugendliche damals eher uninteressanten Räumen.
Es geht auch um eine Wissenschaft, die sich heute wesentlich mehr ethischen Überlegungen stellen muss, als noch vor wenigen Jahren. Es geht um die Bewältigung von Kolonialismus. Von religiösen Chauvinismus, um Verachtung anderer Denkweisen und Kulturen.
Es geht ums Lüften in den hehren Räumen….buchstäblich.
Ich finde Milo Raus Ansatz verdankenswert und freue mich jedesmal sehr, wenn sich ein neuer, besserer Gedankenstrang zu all diesen Themen entwickelt. Die einbalsamierte Figur sollte unbedingt wieder eingewickelt und in einer gleichen Art bestattet werden, wie sie es wahr. Die (adligen…) ÄgypterInnen beachteten, ähnlich wie die Juden, eine immerwährende Totenruhe. So aufwendig, wie sie bestattet wurde, so aufwendig wie die Entnahme aus der Grabstätte….so aufwendig wie der Transport nach Europa….so aufwändig wird die Lösung sein. Durchaus auch unsere Erlösung, und im Idealfall auch eine in Ägypten. Zeit wäre es auch dort.
Dies alles denkt Milo Rau in seinem grossen Kosmos wohl zusammen, sonst wäre er nicht Regisseur.!
Die Debatte über den Totenfrieden, die Publicity, die wissenschaftliche Arbeit, die Ethik gerade in Bezug einer Mumie, wie unserer Schepenese, ist wichtig und soll seriös und nicht desinformativ geführt werden. Das Problem bei Milo Rau ist, aus meiner Sicht und mit allem Respekt für sein künstlerisches Schaffen (welches wie bei allem auch hinterfragt werden darf), dass es vielen Leuten nicht wirklich klar ist, ob es ihm um die Sache geht oder nicht eher um Eigenpublicity. Und diese Zweifel hat Rau m.E. bisher nicht zerstreut. Wer provokativ austeilt, muss auch einstecken können.