Stadtingenieur vs. Politik
Kunst im öffentlichen Raum wurde und wird in St.Gallen wohl auf ewig für Spannungen sorgen. Wäre dem nicht so, würde wohl auch niemand von Kunst sprechen.
Nebst roten Fässern und digitalen Uhren gibt es auch den Roten Platz oder auch die Stadtlounge, die in regelmässigen Abständen zu Diskussionen führt. Sei es die speziell dafür angeschaffte Putzmaschine oder ganz aktuell die anstehende Erneuerung des Belags.
Ja, billig ist der Unterhalt der Stadtlounge nicht. Er wurde aber auch nicht als Kunstwerk hinter Glas konzipiert. Er sollte von Anfang an als begehbarer, öffentlicher Raum genutzt werden
Die Idee einer öffentlich betretbaren «Lounge» bildet somit das eigentliche Leitthema
Das Entwurfskonzept verkörpert die übergeordnete künstlerische Auseinandersetzung mit den Themen Stadtraum und Öffentlichkeit, aber auch mit den spezifischen Merkmalen des Ortes.
Carlos Martinez
Wenn ich durch die Stadtlounge schlendere sehe ich Banken, Kunstgalerien, Kinderhort, Schulzahnklinik, Restaurants und noch anderes mehr. Ich sehe Jugendliche, die in einer etwas versteckteren Ecke schmusen, Kinder die auf dem Porsche herumklettern und Buisness-Leute beim Essen.
Die Grundidee funktioniert, wenn man die Menschen machen lässt.
Wenn sich aber unser Stadtingenieur Beat Rietmann im Tagblatt so äussert:
Das Privileg der öffentlichen Nutzung des Platzes sollte mit Freude genossen und nicht mit Füssen getreten werden
Quelle: St.Galler Tagblatt
Dann frage ich mich einerseits, ob Herr Rietmann sich der Bedeutung von öffentlichen Räumen bewusst ist und andererseits ob er hier nicht unterschwellig Nutzungsregeln fordert.
Lieber Beat Rietmann, deine Aufgabe ist es, uns die technischen Massnahmen zu erklären und die Arbeiten aufzugleisen und zu kontrollieren. Es ist aber mit Sicherheit nicht die Aufgabe des Stadtingenieurs die Nutzer des öffentlichen Raums zu erziehen und unterschwellig irgendwelche Regeln zu fordern. Das wäre, wenn schon, Sache der Politik.
Öffentlichen Raum durch irgendwelche zusätzlichen Regeln so zu konditionieren, dass er weniger Kosten verursacht führt dazu, dass er gemieden wird. Sprich das genaue Gegenteil von Belebung der Innenstadt.
Mir fehlen noch Aussagen, wie Wegweisungen, Private Security, Kletterverbot auf dem Porsche, Essverbot auf den Bänken und Aufenthaltsverbote nach 22 Uhr….und nur, damit Herr Rietmann in grösseren Abständen eine tiefere Rechnung präsentieren kann.
Und nun noch zum letzten Abschnitt des Artikels: „Ein missverstandenes Konzept“
Hier bestätigt Herr Rietmann genau das, was ich oben ausgeführt habe:
Das Vorhaben wurde von der Presse als «Startschuss für die Neugestaltung des öffentlichen Raumes» bezeichnet. Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich die negativen Aspekte des empfindlichen Platzes offenbarten. Durch die öffentliche Nutzung legte man das Schicksal des Roten Platzes in die Hände jeder Person, die sich darauf bewegt.
Verdammt, was ist denn der Platz anderes? Wenn der Platz nicht genutzt wird, dann umhüllt ihn doch gleich mit Glas und verordnet ein Betretungsverbot!
Das Vertrauen, das der Öffentlichkeit damit gegeben wurde, hat sich bis heute nicht wie gewünscht bewährt. Vor allem an Wochenenden verwandelt sich der Rote Platz in eine Partymeile, bei der Littering und Vandalenakte nicht unüblich sind. Das Konzept, das einen Ort des gemütlichen Beisammenseins zu verkaufen versuchte, scheine bislang nicht angekommen zu sein, sagt Stadtingenieur Beat Rietmann.
Die Bevölkerung soll also gefälligst mit Filzpantoffeln, und schweigend über den Platz gehen. Im Ernst? Dafür haben wir die Stiftsbibliothek.
Ich empfehle Herrn Rietmann dringend eine Weiterbildung beim Institut für Soziale Arbeit und Räume IFSAR-FHS und einen Besuch an der nächsten Ostschweizer Sozialraumtagung.
Zum Titelbild: Das Bild stammt von der Webseite von Carlos Martinez – Es zeigt die weitergezogenen Umrisse der Stadtloung und erinnert ein Stück weit an eine Bratwurst oder vielleicht auch an einen St.Galler Stumpen 😉 Ich hoffe, der Künstler verzeiht mir durch die Quellenangabe den Diebstahl des Bildes.