Tempo 30 – Killerargument Blaulichtorganisationen?
Ich wurde heute gefragt, was ich vom Killerargument Blaulichtorganisationen halte. Ganz kurz, gar nichts.
Dass Blaulichtorganisationen heute vor einem rechtlichen Problem stehen, weil es den „Raser-Artikel“ gibt ist unbestritten.
Deswegen ist das aber noch lange kein Killerargument. Denn Gesetze lassen sich ändern und es ist bis nach Bern gelangt, dass da eine Rechtsunsicherheit besteht. Da aber die Problematik bereits heute in 30er Zonen (die ja breite Unterstützung geniessen) besteht, besteht bereits heute schon Handlungsbedarf. Städte, die heute schon grossflächig Tempo 30 haben, zum Teil gestützt durch Gerichtsurteile, stehen auch vor diesem Problem.
Jetzt kann man sich auf den Standpunkt stellen, Tempo 30 geht nicht, weil dann Blaulichtorganisationen Gefahr laufen bei einem Einsatz gegen den „Raser-Artikel“ zu verstossen oder man passt den „Raser-Artikel“ an.
Findet man, ersterer sei besser, dann muss man sich aber dafür einsetzen, dass sämtliche Tempo 30 Strecken/Zonen (inklusive Tempo 20 Zonen) aufgehoben werden müssen. Alles andere würde die jetztige Diskussion als fadenscheinig entlarven.
Ich bevorzuge deshalb die Anpassung auf Gesetzesebene. Denn Rechtssicherheit brauchen die Blaulichtorganisationen, keine Frage.
Also, kein Killerargument, sondern lediglich eine vorübergehende Rechtsunsicherheit, die sich beseitigen lässt.
Kanton und Stadt haben sich dazu übrigens durchaus Gedanken gemacht. Dazu der Abschnitt aus der nicht öffentlichen Vernehmlassung:
Auswirkungen auf Blaulichtorganisationen:
Bei einer flächendeckenden Einführung von Tempo-30 auch auf Hauptstrassen stellt sich die Frage, ob es allenfalls zu negativen Auswirkungen bei den Einsätzen von Blaulichtorganisationen kommen könnte. Mit Blaulicht und Sirene darf die signalisierte Höchstgeschwindigkeit überschritten werden – allerdings nur, wenn dies auch verhältnismässig ist.
Es besteht das Problem, dass gemäss Rechtsprechung bei einer Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h der Rasertatbestand bei einer Höchstgeschwindigkeit von 70km/h bereits erfüllt ist. Dies führte in mehreren Fällen zu Verurteilungen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des vorliegenden Konzepts laufen auf Bundesebene Gespräche, ob der Raser-Tatbestand für Blaulichtorganisationen komplett ausgenommen werden kann.
In jedem Fall dürfen Fahrzeuge mit Blaulicht nur so schnell fahren, dass sie kein hohes Unfallrisiko mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingehen (SVG Art 100 Ziff. 4). Die Fahrer werden entsprechend geschult. Deshalb dürften die gefahrenen Geschwindigkeiten bei den für Tempo-30 in Frage kommenden Strassenabschnitten auch im Einsatz für Blaulichtorganisationen höchst selten über 70 km/h liegen. Der Kanton Genf stützt sich bei seinem Konzept für die Einführung von Tempo-30 auf einen Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 2017 (BGE 143 IV 508). Dabei wird der Entscheid so interpretiert, dass der Raser-Tatbestand nicht erfüllt sein kann, wenn die abweichende Höchstgeschwindigkeit aus rein umwelttechnischen Gründen und nicht aus Sicherheitsgründen signalisiert wurde. Unter Beachtung all dieser Aspekte hat diese Thematik – auch in Absprache mit der Kantonspolizei – kaum einen Einfluss auf die Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen und wird deshalb bei der Beurteilung von Tempo-30 nicht berücksichtigt.