Der Mythos der abgewürgten Erreichbarkeit

Ein Argument, dass insbeondere Wirtschaftsverbände bei der Tempo30 DIskussion immer wieder bringen, ist die Aussage, dass mit T30 die Erreichbarkeit der Stadt reduziert oder gar gefährdet wird:

Obwohl der Fachkräftemangel in fast jeder Verlautbarung des Kantons bedauert und die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Stärkung von Kanton und Stadt betont wird, soll mit einem flächendeckenden Tempo-30-Regime eines der wichtigsten Jobkriterien für Fachkräfte, nämlich die Erreichbarkeit des Wohn- und Arbeitsortes fahrlässig weiter reduziert und damit gefährdet werden.

Quelle: DieOstschweiz

Da in der Stadt zumindest gefühlt kaum je Tempo 50 erreicht wird (es sei denn man fährt ganz bewusst entgegen jeder Vernunft) wollte ich es genauer wissen. Wie viel Einfluss hat Tempo 30 tatsächlich? Dazu habe ich mir ein paar Punkt/Strecken herausgesucht, die ich genauer anschaue

Vom Wohnquartier auf die Autobahn

    Ich habe mich für die Auswertung für die folgenden Quartiere entschieden: Haggen, Oberhofstetten, St.Georgen, Rotmonten und Achslen. Als Basis wurde für alle Strecken Google Maps verwendet

    Haggen

    Die ausgesuchte Strecke ist 3.2 km lang
    Google gibt als Fahrzeit (17.7.2023 um 12:00 Uhr) 6 min an
    Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt somit: 32 km/h
    T50 (theoretisch): 3min 50s
    T30 (theoretisch): 6min 24s
    Zeitdifferenz (theoretisch): 2min 34s
    Hier wäre nur eine minimale Strecke von T30 betroffen und zwar vom Abzweiger Fürstenlandstrasse/Zürcherstrasse bis zum Abzweiger Kräzernstrasse/Fürstenlandbrücke. Ein Zeitverlust durch T30 würde sich dadurch nochmals massiv reduzieren. Und auch nur in der Nacht. Frühestens ab 2028 wäre ganztägig T30 vorgesehen gewesen.

    Oberhofstetten

    Die ausgesuchte Strecke ist 2.1 km lang
    Google gibt als Fahrzeit (17.7.2023 um 12:00 Uhr) 5 min an
    Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt somit: 25.2 km/h
    T50 (theoretisch): 2min 31s
    T30 (theoretisch): 4min 12s
    Zeitdifferenz (theoretisch): 1min 41s
    Hier liegt das Durchschnittstempo bereits heute deutlich unter T30. Der Zeitverlust wird im 2stelligen Sekundenbereich liegen. Die Teufenerstrasse wäre ab Etappe 2 auf einzelnen Abschnitten T30 betroffen gewesen. Die Anpassung wird kaum zu einem weiteren Zeitverlust führen

    St.Georgen

    Die ausgesuchte Strecke ist 4.3 km lang
    Google gibt als Fahrzeit (17.7.2023 um 12:00 Uhr) 12 min an
    Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt somit: 21.5 km/h
    T50 (theoretisch): 5min 10s
    T30 (theoretisch): 8min 36s
    Zeitdifferenz (theoretisch): 3min 26s
    Auch hier liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bereits weit unter T30. Zudem gilt bereits heute teilweise T30 und der Rest der St.Georgenstrasse wäre für die 2. Etappe vorgesehen.

    Rotmonten

    Die ausgesuchte Strecke ist 1.4 km lang
    Google gibt als Fahrzeit (17.7.2023 um 12:00 Uhr) 4 min an
    Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt somit: 21 km/h
    T50 (theoretisch): 1min 41s
    T30 (theoretisch): 2min 48s
    Zeitdifferenz (theoretisch): 1min 7s
    Auch hier gilt, die Strecke ist von T30 teilweise bereits heute betroffen. DIe DIfferenz dürfte deshalb auch in Zukunft bei praktisch Null liegen

    Achslen

    Die ausgesuchte Strecke ist 1.4 km lang
    Google gibt als Fahrzeit (17.7.2023 um 12:00 Uhr) 3 min an
    Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt somit: 28 km/h
    T50 (theoretisch): 1min 41s
    T30 (theoretisch): 2min 48s
    Zeitdifferenz (theoretisch): 1min 7s
    Auch hier gilt, die Strecke ist von T30 teilweise bereits heute betroffen. DIe DIfferenz dürfte deshalb auch in Zukunft bei praktisch Null liegen

    Fazit

    Auf den Strecken (Wohngebiet – Autobahn) die von T30 betroffen wären ergäben sich theoretische Zeitverluste zwischen 60s und 3min wenn man mit T30 statt T50 unterwegs sein könnte. Theoretisch heisst, gerade Strecke, kein Verkehr, keine Lichtsignalanlgen, Baustellen, Kein Vortritt oder andere „Hindernisse“. EIgentlich völlig absurd so etwas auszurechnen 😉 Die theoretischen Zeitdifferenzen geben aber einen schönen Hinweis darauf, mit welchen Zeitverlusten man tatsächlich zu rechnen hätte. Mit Sekunden!
    Wer hier die Behauptung aufstellt, die Stadt riskiere damit fahrlässig die Erreichbarkeit, der hat ein ziemlich schlechtes Zeitgefühl oder ist aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage seine Abfahrtszeit um 1 oder 2min vorzuverlegen.

    Ich habe eimal mehr das Gefühl, dass hier aus rein ideologischen Gründen gegen T30 argumentiert wird. Die einschlägigen Verfechter wissen auch hier nicht wirklich, was die Temporeduktion bedeutet. Das war aber auch nicht anders zu erwarten. Denn auch bei der Engpassbeseitigung kommen solche Aussagen, die weder Gaspedal noch Kupplung haben.